Manisoft

Ich richte mich an euch, ihr zahnlosen Generationen!

Ich wende mich an euch, meine Altersgenossinnen, die keine dritten Zähne haben, aber auch an die Säuglinge unter uns.

Seht an, meine harte Hand! Sie kriecht vor euch aus meiner Hosentasche, tendiert beherzt zum Gatsche. Ihr Greifen vom englischen grief, das Trauer, Kummer, Gram, Schmerz bedeutet, misst straff frisiert die Verhärtung des Begreifens am Begriffenen, was auch immer das heißt. Wir wünschen uns ja vielleicht eher ein lasches Umfassen. Wir finden das Begreifen ja oft ein bisschen traurig. Und es dürfte euch auch so halbwegs unbekannt sein, dass wir uns manchmal im unentschlossenen Tasten üben. Wir widmen uns daher nicht selten der Ahnungslosigkeit. Wir müssen, so die harte Hand, ihren Text gegen die Rampe gestikulieren. Doch ist es ihr Text, und wir fassen ihn nicht. Würden wir ihn fassen, würde er langsam aus dem Zusammenhang der harten Hand reißen, und wir würden nicht viel davon kapieren. Unsere Gesten sind deswegen fast immer ein bisschen fahrig. Sie überzeugen wenig oder kaum. Und wenn wir merken, dass meine harte Hand unseren Auftritt doof findet, ziehen wir den Text auch zuweilen so halb und halb wieder zurück. Dann sehen wir, dass er fast unleserlich geworden ist. Also behaupten wir, unser gesamtes Ausstrecken wäre als solches missverstanden worden. Wir haben uns nur wieder einmal gestreckt. Wir grinsen die harte Hand, die wütend grimmt, dümmlich an, betteln sie um ihre Liebe, die sie nicht kennt, weil wir ihr Begreifen nicht verstehen.

Aufgrund all dieser Unfähigkeiten – das dürftet ihr ahnen – erscheinen wir meist ein bisschen naiv und so gut wie niemals nativ. Wir sind fast überall ein wenig befremdlich, außer unter den tausenden von unsresgleichen, zu denen ihr gehört. So, wie wir uns aufführen, werden wir nicht selten nur als schlecht gespielte Figuren geduldet, aber öfter gibt es Ersatz.

Ja, wir sind wohl unförmiger Gatsch, und der Gatsch versteht anscheinend nicht annähernd, was Gatsch ist, weil er sich selbst nicht herzhaft begreift. Doch redet der Gatsch nun einmal über den Gatsch als Teil des Volksmundes fleißig mit.

Ich ahne daher, dass mein Schludern gang und gäbe ist. Die meisten von uns sind der empfindliche Gatsch dieser Erde. Meine harte Hand, die sich gegen uns stellt, weshalb wir manchmal traurig sind, rutscht in die Leere, die unser Zurückweichen erlaubt. Man sagt, sie greife (endlich) hart durch, und der Volksmund irrt hier höchstens in der Bedeutung des Wortes: Die harte Hand ist kaum imstande, dem Gatsch die Form ihrer selbst zu geben. Der Gatsch quillt, wenn er begriffen wird, blöd durch ihre Finger, quillt wurstförmig nach außen, tendiert darüber hinaus dazu, die harte Hand beim Abgang zu beschmutzen. Der Gatsch hängt ungemein an ihr. Meist wird viel weiches Wasser benötigt, sie wieder von den Resten des Gatsches zu reinigen.

Wer den Gatsch nach seiner Hand formen will, mag ihn in seine weiche Hand nehmen, die wir uns erträumen. Das sage aber nur ich, ein (!) Gatsch, der es liebt, gestreichelt zu werden. Man kann mich kaum ein Individuum nennen. Doch bekommt der Gatsch durch die weiche Hand eine Form, die weitergegeben werden kann. Sie passt sich der nächsten weichen Hand willfährig und anschmiegsam an. Hallo, ich rufe nach meiner weichen Hand. Ich versuche das mal. Wir, der Gatsch, zeigen Haltung, und diese Haltung ist verdreht. Unsere Hosen, die wir uns von meiner harten Hand geliehen haben, wurden nur ungenügend strammgezogen und starren vor Dreck.

Leben von der harten Hand in den Mund? Dritte Zähne für Säuglinge, Entwöhnung am ersten Tag? Lieber nicht, Entschuldigung.


Absolut unzulängliches und wahrscheinlich mangelhaft wiedergegebenes

  1. Das Wort „Psittacismus“ stammt von griechischen Wort „Psittacos“ für „Papagei“. Der Psittacismus ist ein Sprechen ohne Verständnis der Worte bzw. ein verständnisloses Wiederholen der Worte anderer.
  2. Das Manisoft des Psittacismus ist so ungefähr eine Annäherung an etwas, das wir gerne ein bisschen beschreiben würden. Es wird aber ziemlich sicher noch öfter verändert werden.
  3. Zunächst gibt es in der Welt der Psittacistin wahrscheinlich kein Alles und kein Nichts, ganz sicher ist das aber eigentlich nicht.
  4. Diese P nimmt nicht wenig ein bisschen ernst.
  5. Ja, so eine P phantasiert in Anerkennung der Hypothese, dass der Mensch die Natur sein könnte, welche von der Natur nicht unbedingt etwas versteht, dass der Mensch die Natur sein könnte, welche von der Natur, die er ist, nicht wirklich verstanden wird.
  6. Die P versteht also eventuell herzlich wenig. Ihr Leitspruch: „Scio me parvum scire“ – „Ich weiß, dass ich wenig weiß“, manchmal auch kolportiert als „Fortasse scio me parvum scire“ – „Vielleicht weiß ich, dass ich wenig weiß.“
  7. Obwohl die Psittacistin kaum etwas durchschaut, muss sie sich dennoch zumindest in Ansätzen zu Teilen des Lebens verhalten. Dieser Umstand, den sie unvollständig erkennt, beunruhigt sie einigermaßen.
  8. Die Psittacistin möchte nämlich durchaus irgendetwas ein bisschen verbessern. Sie sucht daher nach halbwegs passenden Werten und tappt im Zuge dessen nicht selten leicht orientierungslos herum.
  9. Aus diesen oder anderen Gründen spricht sie schon recht früh unabsichtlich oder hobbymäßig am Leben vorbei. Später macht sie dieses Manko zum Teilzeitjob, um zumindest ein wenig von ihrer Unfähigkeit zu profitieren. Sie hat dann allerdings aufgrund ihrer mangelhaften Professionalisierung die Tendenz, Kleinigkeiten überzubetonen, weil sie kaum ahnt, dass es sich bei den Kleinigkeiten um solche handeln müsste.
  10. „Wenn wir gelernt haben, die Wörter zu verstehen, hören wir doch nicht auf, uns für die Worte als solche zu interessieren, wir fahren fort zu plappern, den reinen Rausch des Sprechens zu genießen und Lärm zu machen. […] Der Psittacismus ist zuweilen eine unschuldige körperliche Sensation, eine Ausgelassenheit.“ (Zitat Ludovic Dugas). „Ausgelassenheit“, meint die P, „meint für die P vor allem die ‚Entlassenheit aus der Sphäre des Möglichen‘ / ‚Entlassenheit in die Sphäre des Unmöglichen, namentlich: des Menschlichen, also zumeist Peinlichen.'“
  11. Die Psittacistin läuft in ihrem Versuch, etwas mehr Eindeutigkeit in ihre nicht bewiesene Existenz zu bringen, mit welk hängenden Fahnen / schleppend zum Eskapismus über. Erst kürzlich erklärte sie diesen in einer abflauenden manischen Phase als ein Heraustreten aus dem Menschlichen. Leider gelangen ihr aber bisher nur unvollständig halluzinierte Übertritte in die Pflanze, den Stein, den Bildschirm, die Assel, den Waldmeisterpudding, ziemlich bewusst aber nicht ins Nirwana, das in ihren Tagträumen annähernd mit einem sprechenden Vogel identisch sein könnte.

1. You grasp numbers with your mind, and so you create a nothing from a nothing. At least that’s the case if my calculations are correct. Paint the nothing you have created with a color of your choice, and it becomes something.

2. Attention! If you paint your nothing, you will have the problem that colorful things and even people are despised in many societies. Purity, whiteness, simplicity is what many (white) people prefer in society, in art and in philosophy. For them, purity means seriousness. But nature, for example, as something very colorful with countless details, is quite serious. Your body is full of details, your blood is red, you are nature, and this nature is killing you. Yet your body laughs at times. Are you able to laugh with and at your embarrassing body?

3. Only with money and vacation destinations color is not embarrassing. When vacation destinations and banknotes are colorful, they’re called picturesque. See my vacation money, which – what a bonus! – is edible!

4. Every color you touch becomes a surface. Oh, touch the paleness of my edible money and you will create a world!

5. Behold, by eating my money, you return to the happy days when you lived on biblical manna.

6. „Eat me,“ says my manna. „Devour my numbers and colors, and you will gain weight in the real world you created, and you will never lose it again.

7. „When you become humus after your life“, says my manna, „maybe wheat will grow on you, and you will become wheat, and they will make a dough out of you, and they will paint numbers and colors on you, and so you will become the edible money you always wanted to be.“

8. „If I become humus because – for example – I am used instead of soil to grow cress sprouts,“ says my manna, „the seeds eat me up and my numbers and colors become chlorophyll. Then they are all green.“

9. Cress is a well-known symbol of money and wealth. In connection with my manna, it shows the characteristic property of money that it can be exchanged for many things. The cress says: Your colors will be rich.

10. Sometimes my edible money suddenly reappears after having served as mulch for herbs for a long time. Under the sun and rain, it has become hard and wrinkled, like someone who has worked very hard. My money can tell you a lot of touching stories after work. I really hope that my money works for you too. You can buy it at this place. Eat it, touch, enjoy!


Leute, ihr erfasst Zahlen mit eurem Geist, und so erfasst ihr nichts mit Hilfe des Fleisches. Zumindest ist das der Fall, falls meine Schätzungen korrekt sind.

Malt das Nichts, das ihr erschaffen habt, mit den Farben eurer Wahl aus und seht: Nichts wird irgendwas, und es ist weich und lutschbar wie Esspapier. Wie sympathisch peinlich ihr ausseht, wenn euch die Spucke beim Nuckeln aus dem zahnlosen Mund rinnt!

Doch Achtung! Wenn ihr nichts ausmalt und auf diese Weise etwas daraus macht, müsst ihr wissen, dass farbige Dinge und sogar Menschen verachtet werden. Nichtfarbigkeit und Armut an Details sind es, was die nichtfarbenen (wie ein Blatt wirkenden) Menschen in Kunst und Philosophie gerne mögen. Für sie bedeutet das Fehlen von Farbe und Details das Ernste, das Werte zu umreißen vermag. Allerdings möchte ich unter anderem die Natur, die viele Farben und unzählige Details aufweist, als ernst bezeichnen, auch wenn ich mich schon wegducke. Euer Körper ist voller Details, euer Blut ist farbig, und doch tötet euch die Natur in diesem Moment. Verachtet mich, ich bin nicht fähig von der Farbe zu abstrahieren.

Doch lacht nicht auch euer Körper von Zeit zu Zeit? Seid ihr nicht auch ab und zu fähig, mit und über euren farben- und detailreichen Körper zu lachen, den ihr unter dem Deckel von schwarzen und weißen Tüchern versteckt?

Sorry, ich bin vom Thema abgekommen.

Tatsächlich ist Farbe nur bei Geld und Urlaubsdestinationen nicht peinlich. Wenn Geld und Urlaubsdestinationen farbenfroh sind, nennt man sie fröhlich. Schaut, mein buntes Urlaubsgeld, das – was für ein Bonus – essbar ist: Es ist weich und bietet sich Säuglingen und Greisen an, die es mit ihrer Spucke befeuchten oder in den Kaffee tun, den sie schon lange nicht mehr vertragen.

Hier haben wir eine Kraft, die wir knatschen, um Werte zu produzieren.

Achtung! Indem ihr mein farbiges essbares Geld verzehrt, kehrt ihr zu den glücklichen Tagen zurück, in denen ihr von biblischem Manna lebtet. Der harzige Geschmack der Religionen wird von seinen Zusatzstoffen imitiert. Tausendfach kopierte graue Häuser, vertausendfachte anthrazitfarben gestrichenen Zäune und lichtgrau lackierte Autos könnt ihr ausspucken, wenn ihr euch mein Manna einverleibt habt.

„Esst mich“, sagt mein buntes Geld, „verschlingt meine Zahlen und Farben, und ihr werdet in der realen Welt mehr und mehr Gewicht erlangen – ein Gewicht, das ihr nie mehr verlieren könnt, wenn ihr das Grauen damit bewirkt.“

Wenn ihr nach eurem Leben Humus werdet, sagt mein Manna, wird Weizen auf euch sprießen, und ihr werdet weißes Weizenmehl werden, und sie werden einen Teig aus euch bereiten, sie werden ihn hauchdünn backen, werden Farben und Zahlen auf euch malen, und so werdet ihr zu dem essbaren Geld, das ihr immer schon sein wollt.

„Wenn ich Humus werde“, sagt mein Manna, „weil ich – zum Beispiel – als Boden getreten werde, um Kresse wachsen zu lassen, verschlingt mich die Kresse, und meine Farben und Zahlen werden samt und sonders grün. Das Grüne aber muss verdaut werden, damit es graue Theorie werden kann.“

Kresse ist ein altbekanntes Symbol für Geld. In Verbindung mit meinem Manna demonstriert sie euch dessen spezielle Eigenschaft, gegen Werte getauscht werden zu können. Die Kresse sagt: Die Farben des Geldes sind froh, sie sind reich. Ich, die Kresse, bin als Symbol einfarbig simpel, humoristisch und gewinne keinen Oskar damit. Die Kresse ist und bleibt Dekomaterial am Tellerrand. Man lässt sie liegen und schickt sie mit dem Schmutz zurück in die Küche.

Mein essbares Geld aber taucht, nachdem es lange als Mulch für Kresse geschuftet hat, wieder in der Gesellschaft auf. Unter Sonne und Regen ist es hart, grau und runzlig geworden wie manche von euch – wie eine Person, die lange im Freien gearbeitet hat. Mein erfahrenes Geld, das durch viele arbeitende Hände gegangen ist, kann besonders euch zahnlosen Kindern äußerst böse Geschichten erzählen. Ich hoffe sehr, dass es euch gut unterhalten wird.